Stark Varg: Die neue elektronische Kupplung mit Traktionskontrolle EMR-Tech (Electric Motorbike Racing) im Enduro-Austria-Test. Ein erster Erfahrungsbericht:
Der Preis ist jedenfalls heiß! Nur 259 Euro! Als StarkVarg MX und Endurofahrer habe ich schon lange auf so ein Teil gewartet. Zum Endurofahren habe ich mir einstweilen selbst eine Dual-Hinterbremse auf den Lenker gebaut, damit ich sowohl mit Fuß als auch per Hand hinten bremsen kann. Ich habe mir mal eingebildet, dass es einen kleinen Vorteil bringt, wenn man vor einem Hindernis kurz die Hinterbremse betätigt, bevor man darüber fährt, weil man damit explosiver wegkommt. Ähnlich wie wenn man die Kupplung zieht. In der Praxis habe ich das aber fast nie verwendet und es hat eher schlecht funktioniert. Links Kupplung und Fußbremse wie bei den Verbrenner-Enduros wäre mir persönlich am liebsten, vor allem auch, weil alle anderen Bikes so fahren.
Die Testmöglichkeit der brandneuen Kupplung mit der mittleren Traktionskontrolle kam mir sehr gelegen! Aber funktioniert das?
Die grundsätzliche Erwartung, dass dieses Teil trotz Prototypenoptik das macht, was es soll, war hoch, da mein Endurokollege Thomas, der Entwickler der Kupplung und CEO von EMR, mich schon bevor die Stark rauskam mit seinem selbst entwickelten Elektrobike fahren ließ. Dieser Prototyp hat beim Fahren einen sehr guten Eindruck vermittelt. Als Einzelanfertigung hat die umgebaute Honda mit im Vergleich zur Stark kleinerem Akku, marginal weniger Leistung und einigen Schwächen wie einem fehleranfälligen Zündschloss sehr gut funktioniert. Damals noch mit mechanischer Kupplung.
Die neu entwickelte Kupplung für die Varg ist jetzt konzeptbedingt natürlich rein elektronisch und besteht im Wesentlichen aus 4 Teilen:
• Kupplungarmatur: Das war mal eine MTB-Bremse. Hier mit eingebautem Potentiometer
• CPU: Ich sage jetzt mal CPU dazu. Das ist das zentrale Steuerteil, das mit Gasgriff, Stromversorgung etc. verbunden wird
• Sensor für die Traktionskontrolle
• Lenkerschalter
Es gibt 2 Betriebsmöglichkeiten:
1. Kupplung alleine
2. Kupplung mit Traktionskontrolle
Die Traktionskontrolle ist kombiniert mit einem Kappen des Drehmoments bei niedriger Leistung der Varg. Diese Traktionskontrolle selbst gibt es in 3 Stufen (starker Eingriff, mittel, wenig Eingriff)
Funktion: Schalter auf Off. Solange man die Kupplung nicht zieht, ist alles wie wenn man das Teil nie eingebaut hätte. Mit dem Ziehen der Kupplung bleibt die Stark natürlich sofort stehen. Anfahren geht wie gewohnt bei einer Verbrenner-Enduro.
Schalter auf On. Jetzt leuchtet eine grüne LED und die Traktionskontrolle macht sich beim Fahren bemerkbar. Man kann während der Fahrt zwischen beiden Modis umschalten. Im Crawl-Mode und Retourgang ist die Kupplung deaktiviert.
Die Kupplung war in einer Stunde eingebaut. Hier einige Fahrsituationen aus dem 2-wöchigen Test, in denen die Kupplung/Traktionskontrolle Veränderungen bringt:
MX Start: Zugegeben, das ist nicht der klassische Einsatzbereich, in dem Enduristen das Bike bewegen. Beim Starten merkt man aber den größten Unterschied. Seit ich mit der Varg fahre, habe ich noch nie einen MX-Start verloren und das obwohl man mit der Electrocross nicht ordentlich aus dem Startgatter kommt. Danach zieht man beim Beschleunigen aber locker an allen vorbei. Mit der Kupplung geht das jetzt noch viel besser: Leistung auf 80 PS à Vollgas und Kupplung loslassen wie bei einer 450er. Damit kommt man jetzt super weg. Man hat dabei aber intensiv mit Wheelie und der Spur zu kämpfen. Sollte man üben. Ist richtig schnell, aber brutal zum Fahren. 80 PS sind viel.
Mit Traktionskontrolle schaut das ganz anders aus. Man kommt ebenfalls super weg, hat dann aber weder mit Wheelie noch mit der Spur zu kämpfen. Dafür opfert man aber ehrlicherweise Speed gegen leichtere Fahrbarkeit.
Kurvenfahren: Ich persönlich verspüre, gerade weil die „Gas“-Kurve der Stark ohnehin sehr gut dosierbar ist, nicht so das Bedürfnis in schnellen Kurven die Kupplung zum Driften zu nutzen. Viel mehr Sinn hat da meiner Meinung nach die Traktionskontrolle. Man kann bei eingeschalteter Traktionskontrolle schnelle Kurven Vollgas fahren. Das braucht aber zumindest für mich noch Wochen zum Gewöhnen. Außer am Schotter. Da geht’s ganz leicht. Eine schöne Schotterkurve suchen und mit halbwegs Geschwindigkeit einfahren und Vollgas und das Motorrad reguliert selbst den Driftwinkel. Die Elektronik begrenzt das Ausbrechen des Hecks. Auf Boden mit wechselndem Grip ist dennoch Vorsicht geboten.
In engen Ecken habe ich die Kupplung ständig genutzt.
Umdrehen am Stand, wie z. B.: die beim Endurofahren oft gebrauchte 180° „Försterwende“ für einen Richtungswechsel ohne eine Kurve auszufahren, geht mit der Kupplung viel besser.
Bergauf anfahren: Man kann mit der Kupplung wegfahren wie beim MX-Start. Braucht man aber selten, weil die Stark ja sowieso perfekt dosierbar anfährt. Es gibt aber Situationen, speziell mit wenig Anlauf vor Steilhängen, wo man mit viel Gas und Einsatz der Kupplung und durchdrehendem stabilisierenden Hinterrad wesentlich besser anfahren kann.
Mit Traktionskontrolle kommt man auch mit leicht durchdrehendem Rad, aber wesentlich spurtreuer und ohne jegliche Wheelieneigung nach oben. Das Regeln der Leistung kostet aber Speed.
Umsetzen: (=Das Motorrad auf engen Wegen in die andere Richtung drehen) Das geht mit der Kupplung wesentlich besser.
Hindernisse fahren: Bei Hindernissen wie Baumstämmen hat die Kupplung für mich nicht so gut funktioniert. Der Grund ist, dass man gerade bei Hindernissen die feinfühligste Kupplungsdosierung braucht. Beim Anfahren und Beschleunigen hat man viel Feedback über das Hinterrad, nicht aber beim Hochheben des Motorrades. Da fehlt das Trägheitsmoment einer sich drehenden Schwungmasse. Es geht meiner Meinung nach geringfügig besser mit der elektronischen Kupplung. An das Kupplungsgefühl einer klassischen Enduro kommt man aber nicht heran. Das können herkömmliche Kupplungen besser.
Nachteile: Ich habe keinen Nachteil an der Kupplung erkannt. Wenn man sie nicht nutzen will, lässt man den Hebel unangetastet. Ein Nachteil ist eventuell die etwas schwierige Handhabung bei einer Kombiverwendung mit Hinterbremse am Lenker.
Anders ist jedenfalls die fehlende Trägheit der sich drehenden Teile. Die klassisch mechanische Kupplung hat dadurch einen viel besseren Druckpunkt. Bei der Stark im Stand bewegt sich ja nichts im Motor. Es stellt sich die Frage, ob das überhaupt als Druckpunkt bezeichnet werden kann. Man weiß, an welchen Punkt des Hebels die Kupplung wie reagiert. Es bleibt immer gleich. Das Feedback kommt vom Hinterrad. Man braucht etwas Zeit, aber man gewöhnt sich daran!
Bild: Die zentrale Schalteinheit
Verwendung:
Motocross: Beim Motocrossen sehe ich den Hauptnutzen der Kupplung beim Start. Enge Ecken kann man mit Kupplung fahren. Bei eingeschalteter Traktionskontrolle regelt diese permanent und sorgt für eine sauberere Linie, raubt aber Geschwindigkeit. Zeitmäßig war der Unterschied zwischen Traktionskontrolle und Normalbetrieb mit der Crossbox gemessen auf meiner Heimstrecke beim MSC Burgenland im Zehntelbereich. Am rutschigen, gut gewässerten Boden am MX-Track in Stegenwald war das anders. Die Traktionskontrolle führt zu einer extrem sauberen und sicheren Linie. Das fühlt sich richtig schnell an. Auf der Uhr war es aber um 2 Sekunden pro Runde langsamer, und das mit einer unglaublichen Konstanz über 10 Runden innerhalb von 5 Zehntelsekunden.
Beim Crossen wäre für mich wahrscheinlich die Variante mit weniger Eingriff besser. Diese wurde aber nicht getestet.
Enduro: Dafür wurde das Teil entwickelt. Nach der ersten halben Stunde war für mich bereits klar, dass ich dieses Teil nicht mehr hergeben will. Die Traktionskontrolle in der mittleren Stufe funktioniert traumhaft und sorgt für eine weniger anstrengende Fahrt, was bei längeren Fahrten natürlich einen Vorteil bringt. Im Gegensatz zum MX gibt es beim Enduro wesentlich mehr enge und unbekannte Kurven, bei denen ich die Kupplung ständig nutze. Da die Stark nicht abgewürgt werden kann, gibt es auch kein ungewolltes Zurückfahren beim Stehen im Steilhang, weil das Motorrad immer über Gas und Kupplung am Stand gehalten werden kann. Sollte man einen Endgegner-Steilhang vor sich haben, wo das letzte PS gebraucht wird, schaltet man einfach auf OFF.
Gefahren bin ich meistens auf Stufe 4, was bei der Programmierung meiner Varg 65PS entspricht. Das reicht trotz TC für jeden Hang in meinem Endurorevier. Mit zunehmender Dauer des Tests habe ich die Kupplung immer mehr verwendet und die Fahrweise passt sich dabei immer mehr an die konventioneller Bikes an. Das einzige, was die Stimmung etwas trübt, ist, dass die elektronische Kupplung beim Endurocross über Hindernisse keinen Game-Changer darstellt.
Der Weg zur Kupplung mit Traktionskontrolle:
- Bestellen über Email an:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. Bei großer Nachfrage wird es diese Kupplung in weiterer Zukunft im Fachhandel geben - Passt auf MX und EX. Das Modell muss wegen des Kabelbaums beim Bestellen bekannt gegeben werden
- Beim Bestellen muss man eine Variante der Traktionskontrolle wählen (starker, mittlerer oder wenig Eingriff). Sollte man die falsche wählen, kann man das mit dem Support von EMR-Tech selbst mit dem eigenen Notebook umstellen.
- Kostet 259 Euro mit Traktionskontrolle und allen Anbauteilen
- Weiterführende Infos gibt es auf Facebook unter EMR-Tech
Fazit: Wertvoll. Bringt viele Vorteile, aber keinen Nachteil. Die Kupplung hat zwar wenig über den Finger spürbaren Druckpunkt. Mit etwas Übung und Gefühl für das Hinterrad kommt man aber schnell damit klar. Die Traktionskontrolle funktioniert beim Endurofahren unglaublich gut. Der Hebel wird nicht mehr ausgebaut!
Testbericht: Enduro-Austria, R.W.